„INDIVIDUEN VON VORHERRSCHENDER GENIALITÄT“

 Das Ensemble „pianoEventi“ in der Matinee des Tonkünstlerverbands

von Walther Prokop

 

Wer „trotz des strahlenden Wetters, trotz des kulturellen Überangebots, trotz der seltenen Besetzung und trotz des nicht alltäglichen Programms“, also all diesen Widerständen trotzend, die Matinee des Tonkünstlerverbands im Rosenheimer Künstlerhaus besuchte, wurde reich belohnt!

Die Komponisten Ludwig Thuille und Ferdinand Thieriot entpuppten sich nicht nur als hochkarätige Geheimtipps, sondern als strahlende Helden deutscher Musik im späten 19. Jahrhundert. Und die Gruppe „pianoEventi“ mit Olga Töppel am Klavier und dem Fagottisten Hans-Peter Vogel als launigen, die zahlreichen Zuhörer geistvoll unterhaltenden Moderator, benötigte kein warming up, sondern war schon mit dem ersten Akkord auf vollen Touren.

Die Musiker traten in Sextett-Besetzung auf; folglich müssen mit Christiane Kneer (Flöte), Gabi Roßberger (Oboe), Brigitte Hafner (Klarinette) und Johannes Kaltenbrunner (Horn) noch vier weitere Instrumentalisten gewürdigt werden!

Von W.A. Mozart gabs „nur“ ein Quintett (KV 452); die vom Meister nicht übermäßig geliebte Flöte durfte also pausieren...

Aber diese Kammermusik schätzte Mozart selbst als eines seiner besten Werke ein, wie er in einem Brief an den Vater schrieb. Die bereits in der langsamen Einleitung geschärften Harmonien hätten den Vater sicher irritiert; es wird ihn jedoch beruhigt haben, dass dieses Opus in Wien „außerordentlichen Beyfall“ erhalten hatte. Ein besonderes Schmuckstück der zweite, mit „Larghetto“ überschriebene Satz. Immer wenn Mozart diese Satzbezeichnung verwendet, erwartet den Hörer etwas über die Maßen Innig-Entrücktes und zugleich Herb-Süßes (Sollte Beethoven mit seiner Meinung, Musik sei mehr als „alle Religion und Philosophie“ doch Recht gehabt haben?).

Hans-Peter Vogel räsonnierte hintersinnig über das Verhältnis von Instrument und Spieler: Welcher Mensch etwa passt wesensmäßig zum Klavier? Die „Neue Musikzeitung“ von 1882 stellte fest: „Die Pianisten sind wuchernd, wie Unkraut und Schlingpflanzen“. Von diesem Vorwurf allerdings ist die temperamentvolle und souveräne Olga Töppel freizusprechen! Sie hatte als „Fremdkörper“ unter fünf Bläsern nicht nur das Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Klangwelten zu gewährleisten; sie hatte auch alle Hände voll zu tun, um einerseits den Flügel filigran bei Mozart perlen oder die spätromantisch vollgriffigen Akkorde bei Thuille mächtig glänzen zu lassen.

Die Holzbläser werden in der Musikzeitung immerhin als „meistenteils Individuen von vorherrschender Genialität“ beschrieben. Diese Charakteristik können wir gerne für Christiane Kneer, Gabi Roßberger, Brigitte Hafner, Hans-Peter Vogel und Johannes Kaltenbrunner gelten lassen, auch wenn das Horn zum Blech zählt...

Was ist nun der Reiz dieser „seltenen Besetzung“, die zwar nicht als Orchester durchgeht, aber durchaus orchestrale Wirkungen erzielen kann? Die Interpretation der pianoEventi gab eine schlüssige Antwort: Das homogene Zusammenspiel, in dem immer wieder andere Klangfarben aufblitzen oder kurz die Führung übernehmen, ist vielleicht einem Kristall vergleichbar, dessen prismatische Beschaffenheit ein betörendes Farbenspiel entfalten kann - Vielfalt in der Einheit!

So war die zu Beginn gespielte Serenade von dem Brahmsfreund Ferdinand Thieriot ein ebenso spannendes, wie klangschönes Werk. Die „liebenswürdige anmuthige Stimmung“, aber auch die vom Hörer dankbar wahrgenommene klare Form machen uns Lust, von diesem Hamburger Tondichter noch mehr zu hören.

Der gebürtige Südtiroler Ludwig Thuille dagegen fährt in seinem für Insider berühmten Sextett B-Dur op.6 symphonische Geschütze auf. Da hat nun auch das Horn sehr dezidiert mitzumischen - Johannes Kaltenbrunner brachte die markanten Motive geradezu zum Glühen und meisterte die kniffligen Passagen, als wär’s ein entspannendes Kinderspiel.

„Außerordentlicher Beyfall“ für pianoEventi, eine schwungvolle Thuille-Zugabe und

dann vielleicht ein Cappuccino unter freiem Himmel...

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